Es ist schon ein bisschen länger her, dass ich mal einen Lautsprecher nachgebaut habe. Die Mission Possible von Frank Kuhl – vorgestellt in der Klang + Ton (Ausgabe 1/2022) – musste ich einfach bauen, denn sie spricht beide meiner in den letzten Jahren gewachsenen Hobbys gleichermaßen an: Lautsprecherbau und 3D-Druck. Ja, das Waveguide, welches in diesem Lautsprecher eingesetzt wird, gibt es nicht zu kaufen, sondern muss tatsächlich gedruckt werden und steht auf der Seite von Monacor zum Download zur Verfügung.
Da sowohl der Monacor SPH-200KE, als auch der AIRMT-130 in meinen Regalen lagen, konnte ich mich sofort an den Aufbau machen. Die Waveguides mussten noch gedruckt werden und der Aufbau der Gehäuse und der Weichen war auch gleich erledigt. Natürlich wurden die Weichen wie vom Erdenker des Lautsprechers vorgesehen aufgebaut und damit ging es dann ins Wohnzimmer zu einer Hörsession.
Natürlich ist es für jemanden der die Messungen in der Klang + Ton gesehen hat und der selbst Lautsprecher entwickelt schwer bis unmöglich, völlig unvoreingenommen in eine Hörsession zu gehen. Dennoch habe ich versucht nicht nur in die für mich offensichtlichen Problemstellen hineinzuhören und mir über 2 Tage jeweils mehrere Stunden Zeit genommen, um den Lautsprecher mit verschiedenstem Material zu füttern und der Darbietung zu lauschen.
Der erste Eindruck war: “Jo knallt! Der Bass ist gut dosiert, die Kiste marschiert ordentlich nach vorn. Der Hochton ist schön klar und löst fein auf. Ich kann nachvollziehen, warum das beeindruckt.” Schon beim zweiten Song aber fing der Lautsprecher an irgendwie unangenehm zu werden. Er hat einen sehr “vorwärtsgerichteten” Charakter und stellt Stimmen und verschiedene Teile einiger Instrumente unnatürlich in den Vordergrund. So klingen nur gewisse Teile einer Gitarre (egal ob elektrisch oder akustisch) sehr betont, ebenso ist es mit Schlagzeugen. Stimmen klingen teilweise sehr nasal und sind insgesamt viel zu präsent. Hin und wieder stellt sich eher der Eindruck ein, es würde etwas fehlen, statt dass bestimmte Bereiche zu laut wären. Das ist von Song zu Song unterschiedlich. Bei Schlagzeugen hört es sich so an, als hätte man zu wenig Mikrofone aufgebaut oder der Tonmeister hätte einige Spuren runtergeregelt. Selbst “meiner” Musik (Elektro, Techno, etc.), von der so mancher behauptet, dass es dafür keine guten Lautsprecher bräuchte, haftete etwas unangenehmes an. Wie gesagt: oftmals hatte man eher das Gefühl, als würde etwas fehlen als umgekehrt. So fehlt Stimmen oft der “Körper” und manchen Instrumenten das “voluminöse”. Der Hochton war nicht wirklich problematisch. Der plötzliche Anstieg ab 14 kHz fällt nicht unangenehm auf. Ich höre zwar bis knapp 16,5 kHz noch ganz gut, aber da stört tatsächlich überhaupt gar nichts.
Thomas Schmidt von der Klang + Ton schreibt, dass er diesen Lautsprecher eher im Bereich Jazz und Vocal Pop sehen würde. Das kann ich bis zu einem gewissen Grad auch unterschreiben, denn diese Musikrichtungen profitieren oft von einer sanften Betonung. Hört man aber länger in diese Genres hinein, wirds auch da schnell zu viel. Dave Brubeck’s Saxophon stellt sich in “Take Five” ohnehin schon in den Vordergrund und genau das ist plötzlich so richtig “in your face”. Nils Lofgren zum Beispiel, der seinen Keith einfach nicht gehen lassen will, ist ein Teil seiner Gitarre verloren gegangen und seine ohnehin schon gewöhnungsbedürftige Stimme ist nicht die Stärke dieses Lautsprechers.
Insgesamt hat mich die Mission Possible nicht richtig abholen und mitreißen wollen. Schade, denn das Konzept gefällt mir richtig gut.
“Was tun?”, sprach Zeus. Zerlegen und das Gehäuse in den Kamin wandern lassen war keine Option. Da wir uns im Bereich des DIY-Lautsprecherbaus befinden, habe ich selbst Messungen angestellt und zusammen mit Alex eine etwas andere Weiche entwickelt. Diese misst sich in der finalen Version so:
Zunächst wurde die Überhöhung zwischen 800 Hz und ca 1,1 kHz ein wenig zurückgenommen, um das für mich zu sehr “vorwärtsgerichtete” zurückzunehmen. Dennoch bleibt dieser Bereich absichtlich weiterhin ein wenig betont. Der Hochtöner wurde so beschaltet, dass die Trennfrequenz von ca. 2,5 kHz hinunter auf ca. 1,7 kHz gewandert ist – das verkraftet dieser Hochtöner ohne Probleme. Das Abstrahlverhalten ist dank der modifizierten Beschaltung und des Waveguides einwandfrei und ohne große Auffälligkeiten. Am saubersten ist der Verlauf bei 15 Grad, sodass es sich empfiehlt, den Lautsprecher nicht direkt auf den Hörer auszurichten. Den Hochtonanstieg ab ca. 14 kHz habe ich nicht bearbeitet, da dieser sich nicht störend auf das Klanggeschehen auswirkt. Würde man diesen bearbeiten, fiele der stark abfallende Bereich davor nur noch stärker ab.
Die Weiche ist natürlich ein wenig komplexer geworden. Spart man hier an der falschen Stelle, lässt man Potenzial liegen und das würde den verbauten Chassis nicht gerecht werden. Die finale Beschaltung sieht so aus:
Der 4,7µF Kondensator im Hochtonzweig ist als Folie ausgeführt, alle anderen Kondensatoren sind handelsübliche, bipolare Elkos. Alle Widerstände im Hochtonzweig sind 10W MOX Widerstände, der Rest 20W Keramiktypen. Bei den grün markierten Teilen handelt es sich um eine optionale Impedanzlinearisierung, die für den Betrieb an Röhrenverstärkern unerlässlich ist. Wer den Hochton insgesamt noch ein wenig zurück nehmen möchte, kann dazu den 4,7 Ohm Vorwiderstand im Hochtonzweig auf den nächsten Wert der E12 Reihe erhöhen. Umgekehrt führt eine Reduzierung des Widerstandswertes zu einer Betonung des Hochtons. Der kleine “Pickel” bei 4,5 kHz kann durch Änderung des 6,8 Ohm Widerstands im Saugkreis im Hochtonzweig bearbeitet werden. Verringert man den Widerstand auf 5,6 Ohm wird dieser um ca. 1 dB zurückgenommen.
An dieser Stelle würde ich normalerweise den Bau- und Bedämpfungsplan veröffentlichen. Da es sich bei der Phantom Protokoll jedoch um eine Modifikation der in der Klang + Ton veröffentlichten “Mission Possible” handelt, ist das nicht möglich. Den Plan findet ihr in der Klang + Ton Ausgabe 01/2022.
Disclaimer: ich habe die Mission Possible nicht gebaut und so bewertet, um Frank einen auszuwischen oder ihn schlecht dastehen zu lassen. Auch wenn die Chassis und Weichenteile vorrätig waren, wäre mir der Aufwand für solch einen “Scherz” zu groß. Das Geschriebene ist meine ganz persönliche Meinung und hat nichts mit dem D.A.U. und wie wir unsere Lautsprecher entwickeln zu tun. Jeder hört anders und jeder stimmt seine Lautsprecher so ab, wie er oder sie es für Richtig hält. Das ist die Freiheit im DIY-Lautsprecherbau, die jeder Entwickler hat und für sich beanspruchen kann. Frank und ich standen im Vorfeld der Veröffentlichung in Kontakt und er hat mich vorab mit Messungen des AIRMT-130 am Waveguide versorgt.
Der hier veröffentlichte Weichenplan ist ausschließlich für die private Nutzung freigegeben. Jede Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung bedarf einer vorherigen Absprache und wird bei Missachtung strafrechtlich verfolgt.
Hi Rouven,
sieht sehr interessant aus, wie würdest Du den Lautsprecher im Vergleich zur LYC einordnen?
Das Konzept interessiert mich und der Hochtöner der LYC ist ja nicht mehr zu bekommen.
Plant Ihr/Du eine eigene Entwicklung mit dem Hochtöner in näherer Zukunft?
LG, Ralf
Hi Ralf,
soweit ich weiß ist es noch nicht bestätigt, dass der Hochtöner aus der LYC wirklich aus dem Programm genommen wurde. Er ist zwar nicht mehr bei Monacor gelistet, aber Gerüchten zufolge soll die Kalotte wohl nur temporär nicht lieferbar sein. Ich denke, dass man hier evtl. noch ein wenig abwarten muss. Wenn es sich aber bestätigen sollte, bin ich mir sicher, dass Alex der LYC einen würdigen Nachfolger spendieren wird.
Was den Vergleich angeht LYC vs. Phantom Protokoll angeht: es sind keine brachialen Unterschiede. Die Phantom Protokoll ist im Mittelton minimal vordergründiger – das war so beabsichtigt. Ob der AMT “besser” ist, muss jeder für sich entscheiden. Er löst sehr fein auf und lässt sich nichts zu Schulden kommen. Ist der Aufpreis zu einer klassischen Kalotte im Waveguide gerechtfertigt? Auch das ist etwas, was jeder für sich entscheiden muss. Die LYC hat hier in meinen Augen ganz klar das bessere Preis-/Leistungsverhältnis, was ihr nur nichts bringt, wenn sie tatsächlich nicht mehr gebaut werden kann.
Aus den Reihen des D.A.U. ist in naher Zukunft keine Entwicklung mit dem AIRMT-130 geplant.
Viele Grüße,
Rouven
Well done!!!
Herrn Kuhls Weiche ist aber auch echt alles andere als schick. 10dB Abfall von 1kHz bis 50Hz ist schon eine Nummer.
Vielen Dank! Das war tatsächlich auch für mich das Problem während der Hörsession. Für jemanden, der eine neutrale Abstimmung bevorzugt, ist die originale Beschaltung nicht ideal. Wie aber auch schon im Artikel geschrieben, kann jeder Entwickler für sich selbst entscheiden, wie er seinen Lautsprecher abstimmt. Es gibt sicher einige Hörer, die Franks Abstimmung bevorzugen.
Hallo zusammen,
bin Frank Kuhl der die Abstimmung der Mission Possible verbrochen hat.
Ich habe kürzlich die Mission Possible beim letzten Hörtreff der Klang + Ton mit nach Bremen genommen.
Heute bin ich dann dazu gekommen die Weichen von Roul aufzubauen und sie im Vergleich zu meinen Konstruktionen zu hören.
Das sind im Endeffekt zwei völlig verschiedene Lautsprecher und ich denke das niemand auf die Idee käme das da zwei gleiche Chassisbestückungen spielen.
Wer das selber mal im Vergleich hören will sei gerne eingeladen – ich kann zwischen beiden Weichen direkt umschalten.
Ich will das garnicht weiter vertiefen sondern nur Rückmelden das ich mir wegen Kritik Gedanken mache und auch wissen will was der Kritiker meint.
In diesem Fall muß ich sagen das der Lautsprecher mit der geänderten Weiche alles verliert was ihn eigentlich auszeichnet. Er hat Dynamik, Frische und eine sehr gute Auflösung.
Das ist meiner Meinung nach alles weg wenn ich die Roul Weiche anschließe. Keine Dynamik, kein anspringendes Klangbild und total müde klingt das als ob hätte man eine Wolldecke darüber gelegt.
Im direkten Vergleich an der Umschaltanlage ist z.B. die LS 6/25 der Mission mit der geänderten Weiche schon weit überlegen. Noch krasser wird es wenn ich die beiben Weichen an der Mission direkt umschalte. Ich habe mehrfach die Schaltung kontrolliert und kann keinen Fehler finden.
Kann man sich gerne in Bremen nach Absprache anhören um aufzuzeigen das ich keinen Kappes erzähle.
Hi Frank,
so hat eben jeder seine Meinung und seine Hörgewohnheiten. Die meinige ist in diesem Artikel beschrieben. Genau dieses “anspringende Klangbild” ist das, was mich persönlich sehr gestört hat. Das klingt in meinen Ohren einfach nicht richtig. Und ja: es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Lautsprecher, die bis auf die Bestückung und das Gehäuse nichts gemeinsam haben. Ich danke dir für die Entwicklung und die Veröffentlichung in der Klang + Ton. Wie im Artikel schon geschrieben: damit hast du genau meine beiden Hobbies angesprochen und mich zum Nachbau bewogen. So viel Interesse an einem Nachbau hatte ich schon lange nicht mehr.
VG
Hallo Rouven,
sehr schönes Besipiel, was man als Ergebnis erziehlen kann wenn man sich Mühe und Gedanken macht. Die Abstimmung und Weiche, die du mit Alex zusammen erarbeitest hast, zeugt von großem Verständnis für die Materie, was aber bei einem alten Hasen wie Alex auch nicht anders zu erwarten wäre!
Im Gegensatz dazu sieht die Entwicklung, die Herr Kuhl abgeliefert hat, unausgereift und schlecht durchdacht aus. Es wirkt, als hätte jemand vom Entwickeln von Lautsprechern nicht oder nicht mehr die Ahnung und versteht herzlichst wenig etwas über Baffle Step Kompensation oder Richtungsverhalten.
Das bestätigt auch die Trennfrequenz von 2,5 khz in der Version von Herrn Kuhl, der dadurch auch zeigt, kein Verständnis zu haben was ein und wie man mit einem Waveguide arbeiten kann und könnte. Da fragt man sich schon ein wenig wie es um die Expertise solch eines Entwicklers steht, der einen 8 Zöller bis 2,5 Kiloherz hoch laufen lässt, wo dieser dort schon längst sehr stark bündelt.
Auch stellt sich die Frage, warum man dann überhaupt einen Waveguide für den Hochtontreiber verwendet, wenn dieser doch nur einen geringen Beitrag im dann fertigen Lautsprecher leistet.
Mir scheint hier hätte vielleicht von Anfang an, Leute mit der Entwicklung beschäftigen sollen, die mehr Ahnung von der Materie haben und denen die Liebe zu Detail noch nicht abhanden gekommen ist. Genau solche wie hier eben jenen Lautsprecher, zu wahrer Klanggröße wachsen lassen!
Vielen Dank für den Beitrag!
Gruß,
Günther J.
Hi Günther!
Vielen Dank für dein Feedback. Es freut mich zu lesen, dass dir das Ergebnis der Zusammenarbeit mit Alex gefällt.
Aus meiner Sicht ist Neutralität in der Wiedergabe das A und O. Beim Abmischen hat man sich Gedanken gemacht, wie ein Stück Musik auf dem Tonträger verewigt werden soll. Der Lautsprecher sollte bestenfalls genau das wiedergeben und nicht seinen eigenen Sound in das Geschehen mit einbringen. Daher entwickeln wir im Akustischen Untergrund so wie wir entwickeln: möglichst neutrale Abstimmung mit möglichst idealem Abstrahlverhalten. Natürlich nicht um jeden Preis: irgendwo ist die Grenze dessen erreicht, was man beispielsweise in die Weiche investieren möchte. Jeder Lautsprecher ist immer ein Kompromiss und wie viele man davon eingehen möchte, bleibt jedem Entwickler selbst überlassen. Auch, wie viel Potenzial man verschenken möchte.
Viele Grüße
Hallo Rouven, ich denke darüber nach, „Mod“ zu implementieren. Ich habe zwei Fragen zum Bass:
a) Können Sie die Unterschiede in der Bassimplementierung im Vergleich zum Phantom/MP und zum LYC beschreiben?
b) Warum hat der Phantom/LYC größere Lautsprechergehäuse, der LYC erreicht aber offenbar tiefere Bässe?
Vielen Dank!
Wouldn’t something like the Mundorf AMT U110W1.1 be a better choice for that lower frequency crossover?
Hi Paul!
Could be a better choice, but
1. this is a modification of a speaker developed by Frank Kuhl. Thus I didn’t change any components.
2. the waveguide was specifically developed for the AIRMT-130
Frank is working for Monacor and I guess that this is why he chose to use the AIRMT-130 rather than any other tweeter.
Best regards
Rouven